Lesen – Lust oder Frust? (Teil 1)

Gehören Sie zur Sparte «Leseratte», die nichts mehr liebt, als mit einem guten Buch viele Stunden in eine andere Welt einzutauchen? Oder haben Sie es als Kind schon gehasst, ein Buch lesen zu müssen und heute beschränkt sich Lesen auf die Zeitung, Mails und die Speisekarte im Restaurant?

Natürlich gibt es auch viele Schattierungen dazwischen und irgendwo auf dieser Bandbreite bewegt sich ihr Kind. Vor allem am Anfang des Leseprozesses ist das Lesenlernen für Kinder sehr anstrengend. Es braucht viel Übung, bis ein genügender Lesefluss da ist, um das Gelesene auch zu verstehen.

Im Verlaufe der 4. Klasse gilt die Faustregel, dass Kinder in der Lage sein sollten, 140-150 Wörter pro Minute laut zu erlesen. Erst bei dieser Geschwindigkeit ist der Kopf frei für den Inhalt des Textes. Es ist dasselbe Tempo, in welchem wir denken und sprechen. Für die Denk-, Sprech- und Lesegeschwindigkeit sind diese 150 Wörter pro Minute eine magische Grenze.

Vielleicht fragen Sie sich, ob nicht das Verständnis wichtiger ist als die Geschwindigkeit?
Beides ist wichtig. Wenn wir zu viel Zeit mit dem Erlesen der Wörter verbringen, haben wir nicht mehr genügend Zeit, über den Inhalt nachzudenken.

In unserer textlastigen Schule ist Lesen der Schlüssel zum Lernen. Kinder und Jugendliche, die genügend gut und schnell lesen, haben es in der Schule leichter. Lesen ist eine sehr effiziente Art der Informationsaufnahme. Schon der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer verglich das Lesen mit «Denken mit einem anderen Kopf».

Wie bringen wir Kinder zum Lesen?
Es lohnt sich, das tägliche, 10 – 15-minütige Lesen in entspannter Atmosphäre einzuführen. Der Abend eignet sich gut dazu, da ein Elternteil sich meist Zeit dafür nehmen kann. Vielleicht haben Sie Lust, eine der untenstehenden Ideen auszuprobieren?

  • Lesen Sie mit dem Kind im Wechsel (Tandemlesen).
  • Lesen Sie dem Kind einen Abschnitt vor, nachher liest es ihn selbst nochmals.
  • Korrigieren ist eine Gratwanderung. Damit es dem Kind nicht ablöscht, muss nicht unbedingt jeder «Fehler» verbessert werden.
  • Beim Partnerlesen liest man zu zweit gleichzeitig laut miteinander (dem Tempo des Kindes angepasst).
  • Besprechen Sie zusammen den Inhalt, indem Sie zum Beispiel Fragen stellen oder sich etwas erklären lassen.
  • Lesen Sie ihre eigene Lektüre neben dem Kind, zB. auf dem Sofa. Alle sind gleichzeitig in ihr Buch vertieft und Lesen wird als etwas Selbstverständliches wahrgenommen. Vielleicht gibt es sogar mal eine Tasse Tee oder ein Guezli dazu? 😊
  • Besuchen Sie regelmässig die Bibliothek zusammen. Die netten MitarbeiterInnen sind gerne behilflich beim Finden der passenden Lektüre. Warum darf es nicht auch einmal ein Comic, ein Witzebuch oder eine Zeitschrift wie Geolino oder Spick sein? Mehr zu Buchtipps im nächsten Newsletter!
  • Lassen Sie ihr Kind die Liste der 100 häufigsten Wörter der deutschen Sprache erlesen. Dazu sind verschiedene Spiele möglich wie die Geschwindigkeit beim Lesen täglich steigern (zB. über 10 Tage) oder zusammen Rätsel machen (ein bestimmtes Wort suchen, alle Wörter mit Dd lesen, alle die mit e enden, usw.). Bestimmt stellt Ihnen ihr Kind auch gerne eine Aufgabe…

Mit einer angemessenen Lesegeschwindigkeit und damit verbundenem Textverständnis öffnet sich ihrem Kind die Tür für wunderbare Bücherwelten. Plötzlich wollen schnell lesende Kinder lieber selbst lesen, als sich eine Geschichte vorlesen zu lassen. Sie sind allein nämlich schneller und bekommen «mehr Geschichte pro Minute» – je spannender eine Lektüre ist, je schneller will man schliesslich vorwärts kommen 😊

Viel Spass beim Lesen!

Anfangs Dezember geht’s weiter: In Teil 2 stelle ich Ihnen Motivationstipps für Lesemuffel und die passende Buchauswahl vor. Interessiert? Abonniere meinen Newsletter.


Lerncoach Romeo Pfammatter zeigt in untenstehendem Lesetraining Übungen zur Leseflüssigkeit: